Bauernverband Ostalb-Heidenheim warnt vor Flächenfraß
Niedere Zinsen und Inflation führen zu einem regelrechten Bauboom. Umweltschützer bemängeln schon lange die Versiegelung der Landschaft. Jetzt schlagen Landwirte in der Region Alarm.
Der Bauernverband Ostalb-Heidenheim befürchtet den Verlust von Ackerflächen. Das hat der Verband am Donnerstag in einer Pressekonferenz mitgeteilt. Der SWR hat sich dazu mit Michael Weber unterhalten. Er ist vom Vorstand des Bauernverbandes und selbst aktiver Landwirt in Waldstetten im Ostalbkreis.
SWR: Herr Weber, wieso finden Sie den Flächenverbrauch leichtfertig?
Weber: In vielen Gemeinden im Ostalbkreis werden neue Baugebiete ausgewiesen, neue Flächennutzungsplanentwürfe erstellt, die weit über das hinausgehen, was wir uns eigentlich leisten können, was den Gemeinden zusteht. Zum Beispiel bei der Wohnbebauung steht den Gemeinden deutlich weniger Fläche zu, als sie versuchen auszuweisen.
Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Ein konkretes Beispiel: Ich komme aus Waldstetten bei Schwäbisch Gmünd. Dort ist man derzeit dabei, den neuen Flächennutzungsplan bis 2035 zu erstellen. Und darin weisen die Stadt Schwäbisch Gmünd 260 Hektar und die Gemeinde Waldstetten 26 Hektar Fläche aus, die bebaut werden soll. Das sind Größenordnungen, die weit über das hinausgehen, was für mich als Landwirt normal ist. Das sind dann nicht nur Flächen, die schlecht zu bewirtschaften sind. Es sind oft beste Ackerböden, die seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt werden, die man erhalten sollte.
Gemüse und Getreide könnte man ja auch aus Spanien importieren. Bei uns produzieren die Landwirte ja eh zu teuer, könnte man sagen.
Ja, bei uns produzieren die Landwirte teuer, weil wir die höchsten Auflagen in Europa und in der ganzen Welt haben und somit auch sehr nachhaltig in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung sind. Ich denke, man sollte schon auch das Thema Ernährungssicherung in den Fokus rücken. Die Leute stehen das ganze Jahr vor den Regalen, die voll sind mit Produkten aus der ganzen Welt. Da ist es für viele schwer zu glauben, dass die Regale vielleicht auch mal leer sein könnten. Wir sind gerade auf dem besten Weg dahin, indem wir unsere Landwirtschaft immer weiter einschränken und die besten Ackerböden zu Bauland machen.
Beim Bauen geht es ja nicht nur um Wohnungen, die die Menschen brauchen. Es geht auch um Gewerbeflächen.
Genau. Ich bin im Gemeinderat (Waldstetten, CDU. Anm. der Redaktion) und ich sehe natürlich schon, dass die Gemeinden ein bestimmtes Maß an Industrieflächen ausweisen müssen. Um Dinge zu finanzieren, von Schule bis Freizeitmöglichkeiten, Hallenbäder, Freibäder. Da sind die Gewerbesteuereinnahmen natürlich wichtig. Natürlich auch die Arbeitsplätze.
Vielleicht sollte man aber versuchen, andere Möglichkeiten zu finden. Zum Beispiel auf weniger Fläche mehr in die Tiefe und in die Höhe bauen. Parkplätze vermeiden und stattdessen Parkhäuser bauen. Vielleicht auch den öffentlichen Nahverkehr in großen Industrieparks, wie in Schwäbisch Gmünd, einbinden. Wenn man wirklich zukunftsweisend bauen will, gibt es auch die Möglichkeit, einen Shuttle-Verkehr anzubieten. Damit nicht jeder mit dem Auto kommen muss. Das ist ja eigentlich unser Ziel.
Dies ist auch aus verschiedenen ökologischen Punkten wichtig. Von Artenschutz, Insektenschutz, bis zum Hochwasserschutz. Wir können nicht von anderen Regionen auf der Welt erwarten, dass sie den Regenwald nicht abholzen und wir machen genau das Gegenteil. Ja, wir versiegeln unsere Flächen und machen Böden, die Jahrhunderte lang aufgebaut und gepflegt wurden, wo Millionen Tiere leben, kaputt. Für immer.
Copyright, SWR 14.10.2021