Bei zu viel Lärm automatisch ein Tempo-Limit
Aus der heutigen Rems Zeitung: Gemeinderat: Bei der Umsetzung des Lärmaktionsplans hat sich die Rechtslage geändert. Bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte gibt es keine Abwägung mehr in den Städten und Gemeinden, sondern die Plicht zum Handeln. Es wird künftig also mehr 30-km/h-Schilder geben.
SCHWÄBISCH GMÜND. Lärm ist den meisten Menschen sehr unangenehm – und ab einer bestimmten Lautstärke macht der Krach auch nachweislich krank. Wer an einer stark befahrenen Straße wohnt, muss sich damit allerdings nicht mehr notgedrungen abfinden oder eben umziehen.
Vielmehr ist es Aufgabe der Städte und Gemeinden, die Lärmbelastung entlang der Straßen zu dokumentieren und einen Plan zu erstellen, wie man Abhilfe schafft. Bisher war es jedoch oft so, dass eine Umsetzung der geeigneten Maßnahmen (Tempo-Limit, Flüsterasphalt oder Lärmschutzfenster/-wände) im Zuge einer Abwägung relativiert und nicht zeitnah realisiert wurde. Ein Tempo-Limit auf 30 km/h stößt in der Regel ja auf wenig Gegenliebe bei den Autofahrern – und die anderen Maßnahmen kosten viel Geld. Bei der Umsetzung des Lärmaktionsplans ändert sich die Vorgehensweise jetzt allerdings auch in Gmünd grundlegend. Eine Abwägung seitens der Verwaltung und der kommunalen Gremien ist künftig nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt, ob
eine Maßnahme gemacht wird oder nicht. Denn inzwischen will das Land, dass in den Kommunen automatisch gehandelt werden muss, wenn bei der Lärmbelastung Grenzwerte überschritten werden.
Dies ergab eine Anfrage von Stadtrat Prof. Dr. Andreas Benk in der Sitzung des Klima-, Umwelt-, Energie- und Bauausschusses des Gmünder Gemeinderats. Benk bezog sich dabei auf einen Beschluss des Gemeinderats vom Februar 2022. Damals war gemäß der gesetzlichen Vorgaben ein Lärmaktionsplan für Schwäbisch Gmünd beschlossen worden. Der Stadtrat der söl-Fraktion erinnerte mit seiner Anfrage daran, dass laut eines Erlasses vom Februar 2023 die Überprüfung beziehungsweise Überarbeitung von Lärmaktionsplänen bis spätestens 18. Juli 2024 abgeschlossen sein müsse. Der Erlass gebe außerdem vor, dass die Mitwirkung der Öffentlichkeit vorgeschrieben ist. Wie Benk ebenfalls betonte, werde bei der Erstellung der Lärmkarten und der Belastungsstatistik nun ein etwas anderes Berechnungsverfahren angewendet – was dazu geführt habe, dass die Zahl der Menschen in Gmünd, die einem Lärmpegel von 65 dB allein durch Hauptverkehrsstraßen ausgesetzt sind, doppelt so hoch sei wie in der Belastungsstatistik 2017. Auch 14 Schulen leiden laut der aktuellen Zahlen unter Verkehrslärm. Prof. Benk hatte dazu drei Fragen an die Stadtverwaltung. 1. Was ist der Stand der Überprüfung und Überarbeitung des Lärmaktionsplans? 2. In welcher Form wurde und wird die Mitwirkung der Öffentlichkeit durchgeführt? 3. Wie ist der Zeitplan für das weitere Verfahren zur Überprüfung und Überarbeitung unseres Lärmaktionsplanes und wie wird sichergestellt, dass der Termin 18. Juli 2024 eingehalten werden kann?
Laut Ordnungsamtsleiter Gerd Hägele ließen inzwischen mehr Faktoren in die Berechnung der Lärmbelastung ein; der überarbeitete Plan werde dann sowohl im Gremium behandelt als auch online der Bevölkerung zugänglich gemacht. Alle Bürgerinnen und Bürger hätten damit die Chance, sich zu informieren und sich auch dazu zu äußern. Die überarbeitete Fassung müsse nicht mehr dem Regierungspräsidium zur Genehmigung vorgelegt werden. Wenn der Gemeinderat die Konsequenzen aus dem Plan zieht, dürfen diese auch sofort realisiert werden. Bis zum Stichtag im Juli wird der Entwurf fertig sein, sagte Hägele. Mit der Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen sei aber nicht vor Herbst zu rechnen. Der Leiter des städtischen Ordnungsamts machte zudem deutlich, dass es künftig keine Diskussionen mehr geben werde, ob eine Maßnahme gemacht wird. Ab einem bestimmten Lärmpegel sei die Stadt zum Handeln verpflichtet. Angesichts der erheblich höheren Kosten für andere Lärmschutzmaßnahmen werde es wohl künftig deutlich mehr Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h geben. Auch auf Ortsdurchfahrten, wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage von Stadtrat Helmut Geiger bestätigte. „Es werden vom Gesetzgeber Automatismen eingeführt. Soll heißen: Messwerte ziehen Konsequenzen nach sich“, bekräftigte Oberbürgermeister Richard Arnold. Das sei ähnlich wie während der Corona-Pandemie, als InzidenzGrenzwerte ohne Wenn und Aber zu vorgeschriebenen Einschränkungen führten. „Als OB kann ich es allerdings nicht gutheißen, wenn die Handlungskompetenz dem Gemeinderat entzogen wird und es keinen Spielraum mehr gibt!“
Copyright Rems Zeitung, 10.05.2024