Gmünd: Unechte Teilortswahl ist Geschichte
Wahlrecht: Nach dem Votum des Gemeinderats vom Mittwochabend steht fest: Auch in Schwäbisch Gmünd kommt die unechte Teilortswahl bei der Kommunalwahl 2024 nicht
mehr zum Einsatz. Unzufrieden ist man damit nach wie vor in Herlikofen, Lindach und Weiler – den Kern der Ratsdebatte bildete in dieser Woche jedoch die Nachfolgeregelung.
SCHWÄBISCH GMÜND. Ohne unechte Teilortswahl, so sieht es die Gemeindeordnung vor, würde der Gmünder Gemeinderat aus dem Oberbürgermeister und 40 Stadträten bestehen. Für einen Übergangszeitraum von bis zu zwei Wahlperioden kann aber, um den Parteien und Fraktionen die Umgewöhnung so sanft wie möglich zu machen, die Sitzzahl der nächsthöheren Gemeindegrößengruppe in der Hauptsatzung festgelegt werden, im Gmünder Fall 48. Das derzeit aus 52 gewählten Vertreterinnen und Vertretern bestehende Gremium zeigte sich nun ausgerechnet in der Frage nach einer oder zwei Wahlperioden noch uneins. In den eingemeindeten Ortschaften sei die Identifikation mit Schwäbisch Gmünd heute, rund 50 Jahre nach der Gebietsreform, hoch, sagte Alfred Baumhauer (CDU) – über die Jahrzehnte sei ein „Wir-Gefühl“ entstanden. Die unechte Teilortswahl sei deshalb heute nicht mehr notwendig. Um auf Bedenken einzugehen, dass gerade die kleineren Stadtteile künftig weniger stark im Gemeinderat repräsentiert sein könnten, befürwortete Baumhauer die Einrichtung eines jährlichen Rede-Termins in dem Gremium für jeden Ortsvorsteher, um aktuelle Themen und Anliegen vorzubringen. „Wir sollten die 48 Sitze für zwei
Wahlperioden festlegen“, so Baumhauer.
Seine Fraktion, sagte Karl-Andreas Tickert (Grüne), wäre auch mit 40 Sitzen ohne Übergangslösung ab 2024 zufrieden gewesen. Wichtig sei vor allem, die Abschaffung überhaupt auf den Weg zu bringen, zur Not auch mit einer Kompromisslösung, da die Zahl der ungültigen Stimmen – sie liegt in Kommunen ohne unechte Teilortswahl nachweislich dreimal niedriger als in Gmünd – auch ein rechtliches Risiko bedeute. Eine Gefahr für die Repräsentation der Ortschaftsräte im Gemeinderat sehe er nicht, so Tickert – hätten diese doch auch im Stadtparlament
schon immer das Wort ergreifen können.
Alexander Relea-Linder (söl) bescheinigte der Verwaltung, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben, und plädierte, wenn schon die sofortige Reduktion auf 40 Sitze kaum mehrheitsfähig sei, für die Variante mit einer einzigen Wahlperiode Übergangszeit. „Es ist den Leuten kaum zu vermitteln, warum der Gemeinderat dafür zehn Jahre brauchen sollte.“
Diese Option empfahl auch Karin Rauscher (Freie Wähler Frauen), die zu bedenken gab, dass der
Gemeinderat spätestens 2034 sowieso auf 40 Volksvertreter schrumpfe. Die Verzögerung um fünf Jahre nach der Wahl 2029 bringe keinen neuen Nutzen mehr, da die Fraktionen und Wahllisten schon bis dahin genug Zeit hätten um sich vorzubereiten.
Ullrich Lothar Dombrowski (Bürgerliste) erinnerte daran, dass sich seine Fraktion schon 2016 nachdrücklich für die Abschaffung der unechten Teilortswahl eingesetzt habe. Er meldete bei dem Vorschlag, die höhere Zahl von 48 Sitzen über zehn Jahre festzulegen, rechtliche Bedenken an. „Das halten wir für höchst problematisch.“
Unrecht sei es nicht, entgegnete Dr. Uwe Beck (SPD), der auch Dombrowskis Kritik an der Verwaltungsformulierung „Brücke“ nicht gelten lassen wollte. „Wenn zehn Jahre eine Brücke sind, dann sind fünf Jahre eine halbe Brücke – und über halbe Brücken sollten wir nicht gehen“, argumentierte der Sozialdemokrat. Es brauche Zeit, um den Beschluss in die Tat umzusetzen, sprach sich auch Dr. Peter Vatheuer (FDP) dafür aus, die Variante mit zwei Wahlperioden à 48 Sitze anzunehmen.
Bei 39 Ja- und zehn Gegenstimmen hob der Gemeinderat schließlich nach gut und gerne einem halben Jahrhundert das Wahlverfahren der unechten Teilortswahl in Gmünd auf. In einer zweiten Abstimmung fand der Antrag, die Größe des Gemeinderats für zwei Wahlperioden auf 48 Sitze
festzulegen, eine große Mehrheit. Dabei verpflichtete sich die Stadtverwaltung zugleich dazu, dem nächsten Gemeinderat für die Jahre 2024 bis 2029 das Thema wieder als Tagesordnungspunkt vorzulegen, damit dieser entscheiden kann, ob die Verkleinerung auf 40 Sitze schon 2029 oder
doch erst 2034 über die Bühne gehen soll.
Copyright Rems Zeitung, 25.05.2023 Benjamin Richter