Gmünds Handels- und Gewerbeverein HGV spricht sich klar gegen eine Ansiedlung eines Amazon-Verteilzentrums im Benzfeld aus. Insbesondere seit bekannt ist, dass in Heidenheim ein Amazon-Logistikzentrum entsteht. Damit entstehe „eine völlig neue Dimension“, sagt HGV-Vorstandsmitglied Dr. Christof Morawitz. Denn ein Logistikzentrum halte die „Bestseller“ vor. Das Logistikzentrum allein sei dabei noch nicht so schlimm, in Kombination mit einem Verteilzentrum aber eine Gefahr für den Handel in Gmünd, Aalen, Heubach. Betroffen seien davon auch der Lebensmittelhandel und die Gastronomie, ist Morawitz überzeugt. Durch die Kombination eines Logistikzentrums mit einem Verteilzentrum entstehe eine „Drucksituation“. Der HGV-Vorstand befürchtet, dass der Onlinehändler bestellte Ware auf diesem Weg noch am Tag der Bestellung liefert.
Stadtsprecher Markus Herrmann hatte am Dienstag gesagt, dass die Stadt mit dem Interesse von Amazon an Gmünd und einer konkreten Anfrage im Herbst rechne. Herrmann forderte Gmünds Handel auf, die Herausforderung des Digitalgeschäftes anzunehmen. Der Stadtsprecher und Tourismusmanager hatte auch gesagt, dass ein Logistikzentrum in Heidenheim keine Auswirkungen auf das Vorhaben in Gmünd habe.
Herrmanns Aussagen stimmt HGV-Vorstandsmitglied Andreas Schoell in Teilen zu. Ja, der Handel müsse sich bewegen, digitaler werden, sagt er. Gleichzeitig aber sieht er, wie Morawitz und seiner Einschätzung nach alle HGV-Mitglieder, dass „Amazon Auswirkungen auf den Handel haben wird“. Der Onlinehandel werde zunehmen, sagt Schoell. Der Gmünder Handel könne dies nicht aufhalten, brauche es aber nicht auch noch befördern. 108 Jobs bei Amazon stünden 1800 Jobs im Gmünder Einzelhandel gegenüber. Deshalb könne der Handel die Amazon-Ansiedlung nicht unterstützen. Morawitz sieht den ortsansässigen Handel als „Platzhirsch“, der Onlinehandel sei eine Ergänzung. Dies soll sich seiner Auffassung nach nicht ändern. Denn „wie würde eine Innenstadt ohne Handel aussehen“, fragt der HGV-Vorstand.
Wie würde eine Innenstadt ohne Handel aussehen?
Der Handel habe in den vergangenen zehn Jahren etwa 300 Jobs aufgebaut, sagt Morawitz. Menschen im Handel seien „nicht extrem gut dotiert“. Doch sie könnten von ihren Einnahmen leben. Ist dies auch bei Amazon so oder muss das Arbeitsamt aufstocken, fragt er. Auch sieht Morawitz mindestens die Gefahr, dass Jobs wie diese bei Amazon irgendwann durch künstliche Intelligenz wegfallen. Dann sei der „moralische Impetus“, der wegen bis zu 108 Arbeitsplätzen immer wieder ins Feld geführt werde, weg. Morawitz setzt auf Einkaufen als Erlebnis, zur Begegnung und als Freizeitgestaltung. Denn genau das habe Corona gezeigt: dass der Mensch die Begegnung will. Schoell setzt darauf, den eigenen Onlinehandel auszubauen: die Ware auf der Website präsentieren, der Kunde wählt aus, bestellt und holt die Ware entweder ab oder lässt sie liefern. Dem HGV, betont Schoell, gehe es nicht nur darum, dagegen zu sein. Es gehe darum, mögliche Folgen einer Amazon-Ansiedlung aufzuzeigen: weniger Jobs im Gmünder Einzelhandel, mehr Leerstände in der Innenstadt.
Für Morawitz zählt als weiteres Argument die Gewerbesteuer. Er nennt 10 000 Euro, die die Stadt von Amazon im Jahr erhalte. Dieser Betrag sei „im Verhältnis zu Aufwendungen und Folgekosten“ für die Stadt „außerordentlich gering“. Gmünd müsse sich überlegen, welche Branchen der Stadt helfen, in welchen Branchen in Gmünd Jobs entstehen könnten. Morawitz nennt dabei Gesundheit und Dienstleistungen für immer mehr Senioren als ein Beispiel. Er lehnt es ab, „den Spatz in der Hand zu nehmen und dadurch am Ende mehr zu verlieren, nur weil man jetzt noch keine andere Lösung hat“.