Gmünds Klimapolitik – fehlt’s am Personal?
Bis Januar muss das Amt für nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Bürgerbeteiligung noch ohne Chef auskommen. Kommt der Klimaschutz trotzdem voran in Gmünd?
Schwäbisch Gmünd. Sie brennen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz?“ Stellenanzeigen-Sätze hat Gmünd in diesem Jahr häufiger gebraucht fürs städtische Klimaamt: Drei von sechs Mitarbeiterinnen haben beschlossen, dass sie noch mehr für andere Aufgaben brennen: Amtsleiterin Franka Zanek ist im Sommer als neue Verbandsdirektorin zum Regionalverband gewechselt, zugleich hat Mobilitätsmanagerin Anja Tamm die Stadtverwaltung verlassen; im Frühjahr hatte sich Klimaschutzmanagerin Chiara Kriz verabschiedet.
Das Klimaamt, ein Drehtür-Amt? Und die Frage: Kann man so effektiv arbeiten? Absolut, sagt Stadtsprecherin Ute Meinke. „Es werden auf keinen Fall Aufgaben benachteiligt. Wir arbeiten etwa an der Wärmeplanung, am Projekt „Essbarer Wildpflanzenpark“ und auch an der Radplanung sind wir wirklich dran – auch wenn mal nach außen nichts zu sehen ist.“
„Längerer Stillstand“
Sigrid Heusel von der SPD-Fraktion im Gemeinderat sieht das kritisch: „Dass zum Beispiel das Projekt Fahrradstraße auf Eis liegt, hat aus unserer Sicht nicht nur, aber auch mit der Personalsituation zu tun.“
Sebastian Fritz (söl-Fraktion) sagt: „Wir stellen fest, dass ein Ausfall oder ein Wechsel bei den Beschäftigten für längeren Stillstand bei den Aufgabenfeldern sorgt. Dies kann bei so einem bedeutenden Amt eigentlich nicht sein.“
Ein Schlaglicht liefert auch eine Anfrage der Gmünder Tagespost bei der Stadt zum Thema Fahrradstellplätze: Von der Frage bis zur Beantwortung hat es sechs Wochen gedauert. Stadtsprecher Markus Herrmann hatte gleich zu Anfang um Verständnis gebeten wegen der aktuellen Kapazitäten in dem Bereich.
Reduzierte Mannschaft
Zwei Monate noch muss die Arbeit von einer reduzierten Mannschaft geschafft werden. Am 1. Januar werde der designierte neue Amtsleiter Franz Geberth seine Stelle antreten, sagt Hauptamtsleiter Helmut Ott. Gleichzeitig soll auch ein neuer Mobilitätsmanager starten: „Der Bewerbungsschluss ist schon erfolgt, jetzt sind wir im Auswahlverfahren, die Bewerbungsgespräche laufen.“
Dass Franz Geberth nicht früher gestartet ist, liegt an dessen bisherigem Arbeitgeber, der wegen eigener Nachbesetzungsprobleme die Kündigungsfrist teilweise ausreizt. CDU-Stadtrat Martin Bläse sieht das nicht als problematisch an: „Es liegt keine Schwächung der Klimapolitik vor – ganz im Gegenteil“, findet Bläse. Denn Geberth sei „schon voll in unseren Themen drin und kann deshalb dann ohne lange Einarbeitung direkt loslegen“. Er sei zudem bereits bei wichtigen Sitzungen und Gesprächen dabei gewesen.
Primär ist die Kompetenz
Geberths Einsatz noch bevor sein neuer Arbeitsvertrag läuft, sieht auch Karl Miller von den Grünen positiv. Miller: „Grundsätzlich ist es schade, dass das Amt nicht sofort besetzt werden konnte. Aber das Primäre ist, dass es kompetent besetzt wird.“ Und das sehe er bei Franz Geberth: „Er ist ja schon engagiert bei manchen Terminen, er macht mehr, als er machen müsste.“
Optimistisch äußern sich auch Peter Vatheuer (FDP/FW) und Ullrich Dombrowski (Bürgerliste). „Ich sehe kein dauerhaftes Problem. Weil es ein vorrangiges Thema für die Stadt ist, gehe ich davon aus, dass da schnell wieder aufgefangen wird“, so Dombrowski.
Ein Masterplan Klimaneutralität?
Alles gut also mit der Gmünder Klimapolitik? Noch nicht, findet Sigrid Heusel. „Wir fordern schon seit über zwei Jahren einen Masterplan Klimaneutralität.“ Ja, es gebe viele Einzelmaßnahmen, sagt Heusel. „Aber es fehlt der Überblick, wie wir es schaffen wollen, auf die Zielgeraden einzubiegen hin zur Klimaneutralität 2035.“
Einen wichtigen Hinweis darauf könnten die demnächst beginnenden Haushaltsberatungen bringen. Am 8. November soll der Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/25 im Gemeinderat eingebracht werden. Klimapolitik braucht nicht nur Personal, sondern auch Geld. „Dann wird es zum Schwur kommen“, sagt ein Stadtrat im informellen Gespräch.
Manchmal viel Aktionismus
Stadträtin Karin Rauscher (Freie Wähler Frauen) betont, dass man bei der Klimapolitik auch Umsicht zeigen müsse: „Es ist manchmal zu viel Aktionismus dabei, man muss da vorsichtig sein. Das sind für die normalen Bürger viele komplizierte Bereiche. Die Leute sind teilweise überfordert und verunsichert.“ Schnellschüsse müsse man vermeiden: „Es geht alles nicht so schnell.“
Nicht wegen „Kleinkruscht“
Im Fall der Klarenbergstraße, die seit zweieinhalb Jahren in der Warteschleife hängt, könnte es gern etwas schneller gehen, findet Karl Miller. Es brauche im Klimaamt eine Konzentration aufs Wesentliche: „Jürgen Stemke als Fuß- und Radwegekoordinator sollte nicht wegen jedem Roller oder jeder Scherbe rausfahren müssen.“ Er sehe die Gefahr, dass wegen „Kleinkruscht“ die größeren Sachen liegen bleiben. „Ein Fuß- und Radwegekoordinator sollte gezielt seine Aufgaben angehen, etwa die Planungsarbeit an der Klarenbergstraße. Wir haben wichtige Aufgaben, die angegangen müssen.“
Was das Land dazuzahlt zum Klimaamt
Der volle Name: Gmünder „Klimaamt“ ist in Kürze treffend, weil Klimapolitik dessen Hauptaufgabe ist – in vollem Namen heißt’s Amt für nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Bürgerbeteiligung.
Zwei von sieben Jobs im 2021 neu gegründeten Amt werden aktuell vom Land Baden-Württemberg finanziert: bis Februar 2025 der Manager für Klimaanpassung (Benjamin Birami), bis April 2027 der Planer für Rad- und Fußverkehr (Jürgen Stemke).
„Relativ groß“: Wie steht Gmünd in der Klimapolitik da im Vergleich mit anderen Städten? Recht gut, argumentiert Hauptamtsleiter Helmut Ott: „Das Amt ist relativ groß für eine Stadt unserer Größenordnung. Und wir waren ein der ersten, die ein solches eingesetzt haben.“
Copyright Gmünder Tagespost, 06.11.2023