Klinikdiskussion: Bläse zu Gast im Gmünder Gemeinderat
Reichlich Für und Wider in der Klinikdiskussion – Landrat Dr. Bläse und Ärztevertreter sind zu Gast im Schwäbisch Gmünder Gemeinderat.
Schwäbisch Gmünd. Nach mehr als drei Stunden Diskussion zur Klinikfrage sagt Landrat Bläse: „Wir haben miteinander gespürt, dass wir gar nicht so weit auseinanderliegen; inhaltlich unterscheiden wir uns in der ein oder anderen Nuance noch ein wenig.“ Einige schauen ungläubig, leises Gelächter im Zuschauerbereich. Zuvor war in der Diskussion im Gmünder Gemeinderat deutlich geworden, wie viele Bedenken und Fragen es unter den Gmünder Stadträten gibt – und dass sie der Idee eines Zentralklinikums in der Nähe von Essingen nichts abgewinnen können. Die Klinikdiskussion vom Mittwochabend im Überblick.
Was die Gemeinderäte sagen: Stadträtin Daniela Dinser von der CDU-Fraktion meinte, es brauche eine Veränderung. Aber die müsse so ausfallen, dass „eine medizinische Notfall- und Grundversorgung vor Ort einfach und schnell erreichbar sein muss“. Und: „Für uns Gmünderinnen und Gmünder kann es kein Zentralklinikum mitten in Aalen oder östlich davon geben.“ Dr. Ina Neufeld (Grüne) griff Dinsers Standort-Satz fast wortgleich auf, sie fügte hinzu: „Geld ist nicht alles, wir brauchen wohnortnahe Versorgung für die Bevölkerung. In unserem großen Landkreis sind zwei Standorte eine Mindestanforderung.“ Und: man solle sich nicht „von Eitelkeiten einzelner Chefärzte leiten lassen“.
Auch Tim-Luka Schwab von der SPD sprach sich dafür aus, dass es nach wie vor zwei Standorte geben soll. „Viele Menschen haben Angst – wenn sie einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall haben, dass sie dann schnell und wohnortnah versorgt werden können. Schwab weiter: „Wir müssen den zeitlichen Druck aus der Klinikdiskussion nehmen, damit wir gemeinsam mit den Bürgern die beste Lösung finden.“
Sebastian Fritz (Linke) sagte, es sei „nicht nachvollziehbar, dass es im drittgrößten Flächenkreis von Baden-Württemberg auf ein Zentralklinikum zulaufen soll“. Fritz weiter: „Ich bin sehr enttäuscht, scheinbar ist dieser Prozess schon vorgezeichnet, und jetzt wird die Bürgerbeteiligung nachgeschoben.“
onstanze Schwarzkopf-Streit (FWF) appellierte: „Sehr geehrter Herr Landrat Bitte geben sie uns die Zeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Lassen Sie uns Mutlangen ausbauen.“ Brigitte Abele (Bürgerliste) argumentierte, es werde deutlich, dass „die Fahrten des Rettungsdienstes in ein Zentralklinikum zu lang dauern“. Und: „Ökologisch und wirtschaftlich halten wir Bau eines Zentralklinikum für fragwürdig.“
Dr. Peter Vatheuer (FDP/FW) sagte: „Wir müssen die Zukunft gestalten. Aber wir als gewählte Vertreter müssen sicherstellen, dass die Gmünder Bürger nicht als Verlierer aus diesem Prozess hervorgehen.“ Er appellierte, über Kreisgrenzen hinwegzudenken. „Man sollte Synergien mit Nachbarkreisen prüfen, vor allem für die die Patienten, die am Rand des Kreisgebiets wohnen.“ Und an den Landrat richtete er noch die Worte: „Machen sie die Bürgerforen, aber ergebnisoffen, sonst macht es keinen Sinn.“
Was die Experten sagen: Wie dringend der Reformbedarf aus ihrer Sicht ist und wo ein zukunftsweisender Weg zur klinischen Versorgung der Ostalb-Bürger hinführen sollte, dazu trugen Vertreter der Kliniken eine Reihe von Argumenten vor. Professor Ulrich Solzbach, der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Ostalb, betonte: „An oberster Stelle steht das Patientenwohl, gleich gefolgt vom Mitarbeiterwohl, es ist fast das wichtigste Kapital, das wir haben.“ Und doch zwinge ein „brutaler Fachkräftemangel, Sachen zu machen, die wir nie tun wollten.“ Im Schnitt könnten derzeit 140 Betten von insgesamt zwischen 950 und 970 nicht belegt werden, weil Personal fehle. „Da hilft nur eines, wir müssen uns bündeln.“
Solzbachs Kollegen Dr. Matthias Thiere, Dr. Jens Mayer und der kaufmännische Standortleiter des Stauferklinikums Christopher Franken untermauerten dessen Standpunkt mit weiteren Argumenten. Die immer weiter verschärften Richtlinien für Personalausstattung, für Qualitätsniveaus machten es für kleine Kliniken immer schwerer zu bestehen. Jens Mayer äußerte etwa die Befürchtung, dass das hoch spezialisierte Onkologische Zentrum in Mutlangen alleine auf Dauer nicht zu halten sein wird. „Wenn wir sagen, wir müssen diese spezielle Versorgung aufrechterhalten, ist das nicht fürs eigene Ego, sondern für die Bürgerinnen und Bürger.“
Der Gmünder Ärztevertreter: Dr. Erhard Bode, sprach für die Gmünder Ärzteschaft: „Es geht nicht um Ja oder Nein, es geht darum, wie kriegen wir es am besten gebacken“, meint er. Doch er äußerte auch Zweifel an einem zentralen Standort. Denn die akute Versorgung vor Ort werde wichtiger werden bei zunehmend älterer Bevölkerung. Und: „Rettungs- und Transportwesen haben bei einem zentralen Standort weitere Wege, dann haben wir da wieder personelle Probleme. Reißen wir damit neue Lücken, die wir hinterher nicht schließen können?“
Was der Landrat sagt: „Ich bin schon persönlich enttäuscht, wenn man nach 50 Jahren Ostalbkreis in dieser wichtigen Diskussion um das Wohl unserer Bürger die alten Klischees nochmal herausholt,“ sagte Dr. Joachim Bläse. Es gehe schließlich um ein gemeinsames Ziel: „Es geht um 320 000 Einwohner dieses Kreises, denen wir eine gute Versorgung schuldig sind.“ Der Landrat ließ sich anmerken, dass ihn die Diskussion persönlich anfasst. Er komme sich manchmal so vor, dass er es ohnehin nur falsch machen könne, so Bläse. „Erst heißt es, der Landrat taucht nicht auf, der sagt nichts.“ Wenn er dann einen Vorschlag mache, „dann heißt es, er ist diktatorisch“, aber er habe nicht einmal eine Stimme im Kreistag. Bläse: „Es gibt Schöneres im Leben, als einen Klinikstrukturprozess zu betreiben. Aber ich will nicht in den Geschichtsbüchern stehen, als derjenige, der nichts getan hat.“ Weil die Dringlichkeit der Probleme einfach da sei. „Wir sind im Klinikbereich einem massiven Wandel ausgesetzt, darum funktioniert das beschlossene Gesundheitskonzept nicht mehr.“
Der Oberbürgermeister: Gmünd OB Richard Arnold fasste die 195 Minuten Diskussion so zusammen: „Die heutige Sitzung zeigt deutlich, wir werden viel Zeit brauchen, um all die Fragen zu beantworten. Deutlich geworden sei auch: „Es braucht eine gute Bürgerbeteiligung.“
Copyright Gmünder Tagespost, 09.03.2023