Wird Gmünd altbacken und rückwärtsgewandt? Junge Stadträte wollen einen „Weckruf“

Das Nein zur Fahrradstraße als Zeichen für Stillstand und ein neues Gegeneinander: Die Stadträte Lisa Grimmbacher, Sebastian Fritz, Carlo Geiger und Sabine Braun wollen „eine mutigere Politik für die Zukunft“.
Schwäbisch Gmünd. Hört Gmünd auf, Politik für die Zukunft zu machen? Vier jüngere Stadträtinnen und Stadträte aus vier Fraktionen haben diese Befürchtung. Lisa Grimmbacher (SPD), 33 Jahre alt, der 45-jährige söl-Stadtrat Sebastian Fritz 45, Carlo Geiger (30) von „Die Partei“ und Sabine Braun (41) aus der Fraktion der Grünen.
Sebastian Fritz, nun in seiner vierten Amtszeit als Stadtrat, sieht im 2024 neu gewählten Gemeinderat eine andere Arbeitsweise als früher. „Es hat sich gewaltig etwas geändert.“ Er vermisse den früher üblichen Austausch unter den Fraktionen beim Erarbeiten guter Lösungen für die Stadt. „Wir wollen einen Weckruf starten, dass man wieder zurückfindet zu einem Miteinander, zur gemeinsamen Arbeit an Themen.“
Die Fahrradstraße als neuer Musterfall?
Eine große Rolle spielt der aktuelle Streitpunkt Nummer eins der Gmünder Stadtpolitik: die Planung der Klarenbergstraße als Fahrradstraße und das Nein des Gemeinderats dazu Anfang Februar. Die vier Stadträte fürchten, dass die Entscheidung als Muster steht auch für andere Themen und Entscheidungen. „Die Sorge treibt uns um“, sagt Fritz. „Wir haben die Sorge, dass wir nicht voranbringen.“
Mutige Entscheidung Gmünds für Landesgartenschau
Lisa Grimmbacher erinnert an die mutige Entscheidung Gmünds für die Landesgartenschau 2014. „Das war wie ein Signal: dass Zukunftsdenken das neue Normal in Gmünd ist.“ Und es habe sich ausgezahlt. „Ich bekomme immer wieder gesagt, besonders von jungen Familien, wie positiv sich Gmünd entwickelt hat.“
Rückwärtsgewandt statt in die Zukunft gerichtet
Dieser Mut sei weg im aktuellen Gemeinderat, das zeige das Nein der Gemeinderatsmehrheit zur Fahrradstraße, sagt Sabine Braun. Die Ablehnung des lange ausgearbeiteten Plans sei rückwärtsgewandt statt in die Zukunft gerichtet, findet Sebastian Fritz: „Der Gemeinderat geht damit hinter frühere, gemeinsam getroffene Grundsatzentscheidungen zurück: einstimmige Beschlüsse für die Klimaneutralität 2035 und für den Radwegezielplan.“
Vorher schon feststehende Positionen
Lisa Grimmbacher und Carlo Geiger, als neue Stadträte nun seit einem guten halben Jahr im Gremium, vermissen immer wieder Diskussionen, die ergebnisoffen geführt werden, mit dem Ziel zusammen Kompromisse zu erarbeiten – so sehen das die beiden. „Es wird nicht abgestimmt, es wird niedergestimmt“, sagt Lisa Grimmbacher. „Man merkt oft, dass die vorher schon feststehende Position noch einmal mit Argumenten begründet wird, aber es gibt dann keine Bewegung, kein aufeinander zugehen, keine neuen Ideen und Kompromisse“, sagt Geiger.
Warum nicht Parkplätze einfach ausklammern?
Sebastian Fritz sieht Diskussion und Entscheidung zur Fahrradstraße dazu als exemplarisch: „Als die Baubürgermeisterin von Esslingen kürzlich zu Gast in Gmünd war, hat sie erzählt, wie dort das Thema Parkplätze planerisch ausgeklammert wurde.“ Dann ende die Fahrradstraße eben an den Parkplätzen und fange gleich danach wieder an. „Über so etwas muss man sich doch unterhalten, statt gleich alles zu beerdigen.“
Auch Sabine Braun formuliert noch eine Hoffnung: „Dass wir Stadträte Politik für die gesamte Gesellschaft in Gmünd machen – um Lösungen zu finden für alle, nicht nur für Autofahrer.“
Was andere Fraktionen früher gesagt haben
Die Stadträte wollen an frühere Positionen erinnern von Fraktionen, die nun Nein zur Radstraße gesagt haben:
Die Bürgerliste habe 2021 gefordert: „Zu einer zukunftsgerechten Verkehrsinfrastruktur gehört auch ein konsequenter Ausbau von Radwegen. Zum „Radwegekonzept bzw. Radwegezielnetz“ gehören „die Einrichtung von zwei Fahrradstraßen in der Klarenbergstraße und der Schwerzerallee“.
Die CDU-Fraktion habe 2020 beantragt, in Gmünd das „Fahrradstraßen-Netz (zu) stärken, um so den Radverkehr attraktiver zu machen.“ Und zwar „bestehend in Nord-Süd-Richtung aus Klarenbergstraße, Gutenbergstraße, Untere Zeiselbergstraße und Grabenallee (…).
Copyright Gmünder Tagespost, 26.04.2025