Zoff um Fahrradstraße in Schwäbisch Gmünd: Nun steht ein Bürgerentscheid an

In Schwäbisch Gmünd muss ein Bürgerentscheid klären, ob die Stadt eine Fahrradstraße einrichtet. Am 19. Oktober entscheiden die Bürger über die künftige Verkehrsstruktur.
In Schwäbisch Gmünd schwelt ein Streit um eine Fahrradstraße. Der Gemeinderat hatte im Februar gegen die Straße für Radler votiert, vor allem, um rund 40 Parkplätze dort zu erhalten. Eine Bürgerinitiative hatte sich daraufhin für die Vorfahrt für Radfahrer in der Klarenbergstraße eingesetzt. Treffen zur Kompromisssuche scheiterten. Am Sonntag soll ein Bürgerentscheid die Lösung bringen.
Der Radverkehr nimmt zu – auch in Schwäbisch Gmünd
In Schwäbisch Gmünd hat der Radverkehr in den letzten Jahren stark zugenommen. Bedingt durch Corona, bedingt aber auch durch eine erfolgreiche Landesgartenschau. Landesweit wird am Ausbau des Radanteils am Straßenverkehr gearbeitet. Das Land will bis 2030 einen Anteil von 20 Prozent Radverkehr. Damit steigen auch die Ansprüche ans Verkehrsnetz.
Den Gegnern der Fahrradstraße in Schwäbisch Gmünd geht es zum Beispiel um Parkplätze am Straßenrand. Es gibt aber eine ganze Reihe von Argumenten für und gegen eine Fahrradstraße. Die Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd hat für den Bürgerentscheid umfangreiches Material ins Internet gestellt, für alle, die sich mit der Situation vertraut machen wollen.
Bürgerinitiative „sicher ins Städtle“ kämpft für die Fahrradstraße
Dass sich in Schwäbisch Gmünd eine Bürgerinitiative für die Fahrradstraße gegründet hat, scheint auf den ersten Blick geradezu aus der Zeit gefallen. Die Zeichen stehen allgemein auf Förderung des Radverkehrs. Die Landesregierung unterstützt Projekte fürs Rad mit bis zu 90 Prozent. Da sollte doch auch in der mittelalterlich geprägten Stadt im Ostalbkreis kein Streit ums Rad aufkommen – sollte man denken. Und doch ist es soweit gekommen.
Nicole Will von der Bürgerinitiative „sicher ins Städtle“ setzt sich für die Fahrradstraße ein: „Wenn wir nicht andere Mobilitätsformen fördern – ich meine, wir haben so viel Autoverkehr hier. Irgendwann versinkt die Stadt in Autos, und Fahrräder könnten einfach die angespannte Stau-Situation auf den Straßen deutlich entlasten.“
Irgendwann versinkt die Stadt in Autos.
Nicole Will, BI „Sicher ins Städtle“, Schwäbisch Gmünd
Jahrelang werden Fahrradstraßen geplant
Dass Fahrradstraßen in dieser Situation eigentlich sinnvoll sind, hat man in der Stadt schon vor Jahren erkannt. Es wurden drei davon geplant. Sie sollten wie lange Finger aus den wesentlichen Richtungen zum Stadtzentrum mit seinem Altstadtring hin führen.
Einer dieser „Finger“ ist die Klarenbergstraße. Sie erschließt radtechnisch den Süden der Stadt und geht an ihrem Ende in einen Radweg über, der zu einem Schulzentrum führt. Allerdings führt sie über eine recht unübersichtliche Kreuzung mit einem roten Mittelstreifen für Radler. Der Streifen beginnt und endet optisch im Nichts.
In ihrem weiteren Verlauf wird die Klarenbergstraße ziemlich eng. Dennoch sollte sie Teil des Radstraßenplans sein, gemeinsam mit einer Verbindung von Westen zum Altstadtring und einer weiteren in den Osten.
Gemeinderat dafür – doch der Weg zur Straße extra für Radfahrer ist steinig
Den Radwege-Zielplan hat der Gemeinderat 2022 einstimmig beschlossen und beim Regierungspräsidium Stuttgart eingereicht, zunächst für die Klarenbergstraße, die als eine Art Testballon für die anderen Verbindungen dienen sollte.
Doch aus Stuttgart dort kam der Antrag wieder zurück, erläutert der Oberbürgermeister der Stadt, Richard Arnold (CDU). „Das große Thema sind eigentlich die Vorschriften. Die Vorgaben sagen, du musst einen Abstand von mindestens 3,50 Metern einhalten, und, und und… und das ist dann natürlich schwierig, wenn das alles unter einen Hut gebracht werden soll.“
Scheitern wegen zu vieler Vorschriften?
Im konkreten Fall sagen die Vorschriften: Die Straße ist nicht breit genug für alles. Für Fahrräder, Auto-Durchgangsverkehr und, vor allem, für parkende Autos. Martin Bläse, verkehrspolitischer Sprecher der Gmünder CDU-Fraktion sagt: „Es war immer klar: Es dürfen keine Parkplätze wegfallen. Das war die Grundvoraussetzung. Aber beim Regierungspräsidium hieß es: Nein, mit den Parkplätzen, so geht es nicht.“
Die Folge war, dass der Gemeinderat sich plötzlich mehrheitlich gegen die Fahrradstraßen aussprach. Daraufhin gründete sich die Bürgerinitiative.
Es war immer klar: Es dürfen keine Parkplätze wegfallen.
Martin Bläse, verkehrspolitischer Sprecher CDU-Faktion Schwäbisch Gmünd
In der Stadt mit ihrer Tallage und der teils engen Bebauung ist nicht Platz genug für alle Bedürfnisse, sagt Oberbürgermeister Arnold: „Es gibt Bedürfnisse der Fußgänger, die berücksichtigt sein wollen, genauso auch wie der Radfahrer und genauso auch wie der Autofahrer.“
Das sehen die Mitglieder der Bürgerinitiative anders. Sie verweisen darauf, dass es nirgendwo ein festgeschriebenes Recht für das kostenlose Parken am Straßenrand gibt. Sie verweisen auf die tatsächliche Gefahr dabei: Als zweithäufigste Unfallursache für Menschen auf Fahrrädern gilt seit langem das Szenario, gegen eine Autotür zu fahren, die sich plötzlich öffnet. Erst vor wenigen Tagen ist die Schauspielerin Wanda Perdelwitz bei einem solchen Unfall durch sogenanntes „Dooring“ gestorben.
Ein Sicherheitsabstand zu parkenden Fahrzeugen ist in einer Fahrradstraße so gesehen kein Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung.
Bis zum Jahresende Zeit, Geld beim Land zu beantragen
Die grün-schwarze Landesregierung hat in den vergangenen Jahren Radprojekte massiv gefördert, zuletzt mit mehr als einer Milliarde Euro im aktuellen mehrjährigen Projektzeitraum. Der Bürgerentscheid kommt möglicherweise auf den letzten Drücker. Bis Jahresende wäre noch Zeit, ein Projekt einzureichen.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative hoffen deshalb auf ein eindeutiges Votum der Schwäbisch Gmünder. Doch die Hürde ist hoch: Zum einen ist zweifelhaft, ob der Antrag die erforderliche Mehrheit findet – zum anderen gilt: 20 Prozent der Wahlberechtigten müssen sich für die Fahrradstraße aussprechen. Die Entscheidung fällt am 19. Oktober.
Copyright SWR BW, 13.10.2025