8,5 Prozent mehr für den Kindergarten – das tut weh
Warum sind Kindergärten nicht kostenfrei? Gemeinderäte diskutieren Gebührenerhöhung und ärgern sich über das Land Baden-Württemberg.
Schwäbisch Gmünd
Die Argumente sind schwer zu widerlegen: höhere Gehälter, gestiegene Energiekosten, allgemeine Inflation. Darum sollen die Beiträge für Kindergärten in Gmünd um 8,5 Prozent angehoben werden – das schlägt die Stadtverwaltung vor. „Unsere Fraktion tut sich sehr schwer mit dieser Erhöhung“, sagte Stadtrat Sebastian Fritz (solidarisch. ökologisch.links) bei der Diskussion der Zahlen im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats.
Fritz stand damit nicht allein. Es schmerzt, das scheinbar Unausweichliche, das konnte man aus vielen Stellungnahmen der Fraktionen heraushören. Brigitte Abele (Bürgerliste) etwa mochte nicht gleich zustimmen: „8,5 Prozent ist schon eine saftige Erhöhung, wir werden das in der Fraktion noch besprechen.“
Bürgermeister Christian Baron zählte die Argumente auf, die für die Erhöhung sprechen: „Der Hintergrund bedarf keiner Erläuterung, der ist offensichtlich: Wir haben eine Gehaltssteigerung um rund 10 Prozent.“ Und er erinnerte an einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats: „Um das nicht jedes Mal diskutieren zu müssen, haben wir uns vor Jahren darauf verständigt, dass wir uns an die Empfehlungen des Landes halten.“ Die lautet nun: 8,5 Prozent mehr.
Stadt schießt Millionen zu
Die Diskussion berührt nicht nur die Finanzen junger Eltern in Gmünd, sondern auch die der Stadt selbst. Mehr als 50 Prozent der Gesamtkosten für die Kindergärten schießt die Stadt zu, im Jahr 2023 dürften dafür mehr als 15 Millionen Euro fällig werden. Tendenz nach oben: „Im nächsten Doppelhaushalt steuern wir auf 19 Millionen Euro zu, die wir aufwenden“, sagte Oberbürgermeister Richard Arnold.
Bürgermeister Baron verwies auch auf eine Vorbesprechung zur geplanten Erhöhung, in einem Treffen von Gemeinderäten, Elternvertretern und Trägern. Dort hätten auch die Elternvertreter den Erhöhungsbetrag in Ordnung gefunden, so Baron. Weil es mit dem „Wohngeld plus“ ein entlastendes Instrument gebe. Die Bundesregierung wirke damit den Belastungen für viele Bürger entgegen – mit einer Hilfsleistung, die mit Sozialhilfe nichts zu tun hat. „Das Wohngeld reicht weit in die Mittelschicht hinein“, sagte Baron.
Es könne Erhöhungen abfangen: „Wer Wohngeld bezieht, bekommt automatisch die Kindergartengebühren komplett vom Ostalbkreis erstattet, das ist das Prinzip.“ Zudem habe die Stadt das Personal der Wohngeldstelle verdoppelt. Baron: „Wir werben dafür, dass solche Dinge genutzt werden. Das machen wir auch über die Kindergartenleitungen, die raten, dass Eltern das prüfen lassen sollen.“
Laute Kritik am Land
Gleichzeitig wurde im Gemeinderat Kritik am Land laut. Schule und Studium sind frei, Kindergarten kostet Eltern Geld – im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern. „Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht, durch das Wohngeld plus ist ein Teil der Kosten gedeckt. Das Land nicht: Es weigert sich, mit einer gebührenfreien Kinderbetreuung ein Zeichen zu setzen“, sagte Sebastian Fritz. Auch Uwe Beck (SPD) hält kostenfreie Kindergärten für eine überfällige Sache: „Es muss deutlich werden, dass Erziehung der Kinder eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.“
So sieht es auch Bürgermeister Baron: „Wenn ich mir die persönliche Bemerkung erlauben darf: Ich würde das gerne kostenlos anbieten und dafür lieber Studiengebühren erheben statt Kita-Gebühren.“ Man müsse auch sehen, wen es trifft: „Wenn ich vor den Eltern stehe, das sind alles junge Familien in einer Lebensphase, in der sie am wenigsten Geld haben.“
Weil die Realität derzeit eine andere ist, kommt Baron doch zu diesem Schluss: „In unserer Situation kommen wir um die Erhöhung nicht herum.“ Über die neuen Gebühren wird endgültig der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung entscheiden. Kommt die Erhöhung, wird sie nach den Sommerferien fürs Kindergartenjahr 2023/24 wirksam.
Copyright Gmünder Tagespost, 15.06.2023