„Da läuft was schief“ mit dem Verkehr
Autorin und Aktivistin Katja Diehl auf Einladung des Agenda-Arbeitskreises in Gmünd.
Schwäbisch Gmünd. Auch mal plakativ agieren wie mit einer zeitweisen Straßenbesetzung: Das rät die Mobilitäts-Aktivistin Katja Diehl, um ihrer Ansicht nach träge Behörden in Sachen Verkehrswende auf Trab zu bringen. Am Montag Abend war die bundesweit bekannte Autorin und Podcasterin im Rahmen der Aktionswochen „Gmünd für morgen“ auf Einladung des Agenda-Arbeitskreises (AK) Mobilität zu Gast im CCS.
Baubürgermeister Julius Mihm begrüßte die Rednerin mit der Feststellung, dass es mit der Verkehrswende auch in Gmünd gar nicht so einfach ist: „Es gibt nicht die Guten und die Bösen.“ Die Höhenunterschiede des Stadtgebiets seien ein Problem. Ein anderes sei, dass viele Verkehrsteilnehmer Radfahrer nicht als Teil der Mobilität anerkennen – was auch er auf dem Fahrrad immer wieder erlebe.
AK-Sprecher Andrzej Sielicki erläuterte die Aufgabe des Arbeitskreises Mobilität: Brücken bauen zwischen Bürgern, Verwaltung und Gemeinderat. Von der medienerfahrenen Referentin wollte er wissen, wie man die Bürger mehr für die angebotenen Aktionen zur Europäischen Mobilitätswoche und für die Mobilitätswende begeistern kann.
Katja Diehl argumentierte mit Zahlen, um die Übermacht des Autos in der deutschen Mobilität aufzuzeigen: Maximal zehn Prozent der in Deutschland zugelassenen Autos seien gleichzeitig unterwegs. Dennoch gebe es Staus ohne Ende. Noch ein Zahlen(bei-)spiel: Wenn alle Deutschen in alle Autos einsteigen würden, blieben alle Rückbänke leer. Gleichzeitig sei das „Heilix Blechle“ ein Signal der sozialen Spaltung: In Deutschland steige die Zahl der Haushalte ohne Auto, gleichzeitig aber auch die Zahl der Haushalte mit drei oder vier Autos. Mobilität sei notwendig, aber sie sei etwas anderes als Verkehr. Diehl: „Wir müssen anerkennen, dass da was schiefläuft.“
Deutschland sei, was Mobilität angeht, inzwischen der Loser (Verlierer) in Europa. In vielen anderen Ländern von Estland bis Österreich gebe es bessere Fortschritte in Sachen Mobilität als in Deutschland. Als einen Hauptgrund sieht sie offenbar Bundesverkehrsminister Volker Wissing, den sie an diesem Abend mehrfach nannte.
Andrzej Sielicki sprach eine geplante Gesetzesänderung an, mit der Parkplätze breiter werden sollen. Diehl sieht darin auch einen möglichen Vorteil für die Mobilitätswende: Das könne dazu führen, dass Parkplätze abgebaut werden müssen. Fahrrad-Kurier Volker Nick sprach an, dass an der Parkplatz-Breite womöglich die erste geplante Fahrradstraße Gmünds, die Klarenbergstraße scheitert. Der Alternativvorschlag der Autorin: die Straße gleich ganz für Fahrräder zu reservieren.
Eine positive Nachricht brachte BUND-Regionalgeschäftsführer Andreas Mooslehner in die Diskussion: Gmünd sei die erste Kommune in der Region, in der weniger als 600 Autos pro 100 Bürger angemeldet sind. Das zeige, dass die Bürger bereit seien für die Mobilitätswende. Sie müssten allerdings noch auf die Behörden warten. Wenn Gmünd, wie es sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2035 klimaneutral sein will, sei noch viel zu tun. Auch söl-Stadtrat Sebastian Fritz vertrat die Meinung, dass die Bürger in Teilen weiter seien als die Verwaltung.
Copyright Gmünder Tagespost, 20.09.2023