Diskussion um Klarenbergstraße: Kommt es zum Bürgerbegehren?

Aus der heutigen Rems Zeitung: Die Bürgerinitiative „Sicher ins Städtle“ hat fast 4000 Unterschriften gesammelt – der Gemeinderat muss sich also vielleicht doch nochmal mit dem Thema beschäftigen. Wie geht es mit der Fahrradstraße jetzt weiter? Und was sagen Anwohner der Klarenbergstraße dazu?
Schwäbisch Gmünd. „Viele fleißige Hände“ sind laut Hauptamtsleiter Michael Schaumann gerade dabei, die Unterschriftenlisten zu prüfen. Am Montag hatte die Bürgerinitiative „Sicher ins Städtle“, die für die Umsetzung der Fahrradstraße in der Klarenbergstraße kämpft, die Unterschriftenlisten beim Hauptamt abgegeben. Etwas mehr als 3900 Unterschriften kamen zusammen – die müssen jetzt überprüft werden. Jede einzelne. Wohnt die Person seit mindestens drei Monaten in Schwäbisch Gmünd? Ist sie 16 Jahre alt oder älter? Sind Unterschriften doppelt?
Bürgerbegehren oder Kompromiss
„Es müssen am Ende mindestens 3250 gültige Stimmen übrige bleiben“, so Schaumann. „Dann hat der Gemeinderat zwei Monate Zeit, über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens abzustimmen.“ Das werde vermutlich in der Sitzung am 2. Juli geschehen. Dann gibt es, erläutert Schaumann weiter, zwei Möglichkeiten: Entweder, der Gemeinderat berät erneut über das Thema und beschließt die Fahrradstraße doch – eventuell mit Kompromissen. Oder, es geht mit einem Bürgerbegehren weiter. „Das muss in den nächsten vier Monaten nach der Gemeinderatssitzung abgehalten werden und ist mit der Oberbürgermeisterwahl am kommenden Sonntag vergleichbar.“ Statt den Namen eines Kandidaten anzukreuzen, könnte man dann für oder gegen die Fahrradstraße stimmen.
Freude über Ergebnis bei s.ö.l. und Grünen
„Unsere Fraktion erwartet schon, dass einerseits das bürgerschaftliche Engagement der Initiative und andererseits der Wunsch der knapp 4000 Unterstützer im Umgang mit der Planung vom Gemeinderat berücksichtigt wird“, so Stadtrat Sebastian Fritz (s.ö.l.). „Sprich wir erwarten, dass es zur Umsetzung kommt und gegebenenfalls noch über pragmatische Kompromisse auf Basis der Planung der Verwaltung gesprochen wird.“
Auch bei den Grünen freut man sich über das vorläufige Ergebnis der Bürgerinitiative: „Die Argumente für die Weiterentwicklung der klimafreundlichen Mobilität, die solide Planung und auch das Ergebnis des langen Beteiligungsprozesses in der Südstadt haben uns überzeugt, die Finanzierung mit hohen Zuschusssätzen war gesichert”, sagt Fraktionsvorsitzender Gabriel Baum. „Daher freuen wir uns, dass die Bürgerinitiative es mit außerordentlichem Engagement offensichtlich geschafft hat, das Thema nochmals zur Entscheidung zu bringen.“
FDP: „Ändert nichts an unseren Argumenten“
Die CDU will laut Fraktionsvorsitzendem Alfred Baumhauer einen Kompromiss finden: „Wir haben bereits einen Kompromissvorschlag im Gemeinderat diskutiert. Dieser wird aktuell weiter ausgearbeitet. Dadurch wird unserer Meinung nach die Situation deutlich verbessert.“ Eine „einseitige Privilegierung des Radverkehrs“ sei bei dem begrenzten Verkehrsraum extrem schwierig umzusetzen.
Für die FDP/Freien Wähler hingegen ändere die Unterschriftensammlung nichts an den Argumenten, betont Peter Vatheuer. „Wir sehen uns als Gemeinderäte in der Pflicht, das große Ganze im Blick zu halten und nicht Partikularinteressen einzelner.“ Die Bürgerliste will laut Stadträtin Brigitte Abele zuerst das Ergebnis der Stimmenprüfung abwarten. „Danach erörtert und bewertet die Bürgerliste das Ergebnis in der Fraktionssitzung.“
Die s.ö.l. hingegen argumentiert anders: „Das Ergebnis (…) zeigt, dass es für eine sichere Fahrradinfrastruktur, entgegen anders lautenden Äußerungen von unterschiedlichen Seiten, eine große Unterstützung bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt.“ Auch die SPD bewertet die fast 4000 Stimmen als Zeichen. „Dieses Bürgerschaftliche Engagement muss für den Gemeinderat Anlass sein, sich nochmals mit der Thematik auseinanderzusetzen und nach einer Kompromisslösung zu suchen“, so Fraktionsvorsitzende Sigrid Heusel. Man befürworte im Zweifel auch einen Bürgerentscheid. Von der AfD hat die RZ leider keine Rückmeldungen erhalten.
Nachgefragt in der Klarenbergstraße
Ob es sich bei einer Fahrradstraße um ein Partikularinteresse handelt oder ob die Mehrheit dafür wäre – das lässt sich abschließend wohl kaum feststellen. Im Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern lässt sich höchstens ein Einblick gewinnen.
„Ich erlebe das Miteinander der Verkehrsteilnehmer eigentlich als ganz gut hier“, meint ein Postbote. Seit mehr als 20 Jahren trägt der Briefe in dem Gebiet aus, immer mit Fahrrad. Haarscharf von Autos überholt wurde er dabei noch nie. „Aber ich fahre ja auch ein echtes Schlachtschiff“, lacht er und deutet auf sein gelbes Postrad. „Wenns da kracht, dann nimmt das Auto auch Schaden.“ Immer wieder winkt er im Gespräch vorbeifahrenden Auto- und Radfahrern zu. „Ich kenne meine Pappenheimer – wenn mich jemand anhupt, weiß ich, wer es war.“
Genug oder zu wenige Parkplätze?
Andere Erfahrung hat ein Mann gemacht, der im mittleren Teil der Klarenbergstraße in einer Seitenstraße wohnt. Er möchte, wie alle anderen Befragten, anonym bleiben. Sein Name steht auf der Unterschriftenliste für die Fahrradstraße. „Ich habe kein Auto, fahre nur Fahrrad oder gehe zu Fuß.“ Schon öfter sei er dabei nur knapp überholt oder von Autos bedrängt worden. „Besonders an den Stellen, an denen diese Grüninseln am Straßenrand angelegt sind, wird es oft eng. Nicht alle Autos halten da an und lassen einen durch, selbst, wenn sie müssten“, erzählt er. Ein Parkplatzproblem sehe er nicht, meint der Anwohner und deutet auf mehrere freie Parkplätze am Straßenrand.
„Naja“, wendet ein älterer Mann ein, der gegenüber von Umicore geparkt hat und eine Kiste aus seinem Kofferraum holt. „Die Parkplatzsituation ist schon manchmal angespannt.“ Zwar wohnt er nicht in der Klarenbergstraße, ist aber für Postfahrten regelmäßig in der Straße. „Ich bin immer wieder überrascht, wie gut frequentiert diese Straße ist“, sagt er. Viele Fahrradfahrer, aber auch Autos begegnen ihm hier. „Die Fahrradstraße hätte schon ihre Berechtigung. Es dürfen ja weiterhin Autos und Lieferverkehr hier entlangfahren.“ Solange für Anwohner und Firmen genug Parkplätze da seien, sei doch alles in Ordnung.
„Warum es die Fahrradstraße nicht schon längst gibt, ist mir ein Rätsel“
Sie verstehe die Aufregung nicht, meint eine Frau in Regenjacke, die dazu kommt. Sie wohnt gegenüber von Umicore, fährt jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit. „Ich habe schon immer auf die Fahrradfahrer Rücksicht genommen. Wenn man nicht mit ausreichen Abstand überholen kann, lässt man es eben. Und Tempo 30 gilt hier eh schon. Warum es die Fahrradstraße nicht schon längst gibt, ist mir ein Rätsel.“ Und die Parkplätze, die dadurch wegfallen würden? Die waren für die Fraktionen, die gegen die Fahrradstraße stimmten, ein Hauptargument. Sie zuckt mit den Schultern. „Umicore hat einen Firmenparkplatz, der wurde gerade erst erweitert. Und ganz ehrlich – ich kenne hier mehrere Leute, die quasi Dauerparker sind. Sie fahren vielleicht ein oder zwei Mal pro Woche damit zum Netto einkaufen, den Rest der Zeit steht das Auto am Straßenrand. Das sind meiner Erfahrung nach die, die sich am lautesten beschweren.“
Stimmen von außerhalb
Zwar durften nur Gmünderinnen und Gmünder bei der Bürgerinitiative unterschreiben. Doch auch Menschen aus Nachbargemeinden haben eine Meinung zu der Fahrradstraße: Eine Mitarbeiterin der Werkstätten des Haus Lindenhof am Bahnhof kommt regelmäßig aus Alfdorf zu ihrer Arbeit. „Ich muss dann auch immer wieder auf den Lindenhof selbst und da wäre eine gut ausgebaute Fahrradstraße mir eine große Hilfe.“ Oliver Beyn, Gemeinderat aus Waldstetten, ist ein ebenfalls aktiver Radfahrer. Als Gemeinderat möchte er den Gmündern keine Ratschläge geben, aber als Radfahrer würde er eine Fortsetzung des erst im letzten Jahr ausgebauten Radwegs Waldstetten Gmünd durch eine Fahrradstraße in der Klarenbergstraße begrüßen. Zur Parkplatzdiskussion bemerkt er: „Ich beobachte, dass viele Innenstadtbesucher ihr Auto kostenlos in der Klarenbergstraße abstellen. Jeder Waldstetter der mit dem Fahrrad statt mit dem Auto nach Gmünd fährt, entschärft die Verkehrssituation und das Parkplatzproblem.“
Copyright Rems Zeitung, 14.05.2025