Eine Woche ohne den Autoschlüssel
Ein Artikel aus der heutigen REMS ZEITUNG:
Mobilität: Mehrere Mitglieder des Gmünder Gemeinderats und auch der Erste Bürgermeister der Stadt Gmünd wollten bewusst auf die Nutzung ihrer Pkw verzichten. Haben sie durchgehalten? Wie waren die Erfahrungen, wenn man aufs Rad und den ÖPNV angewiesen ist?
SCHWÄBISCH GMÜND. Es geht nicht um eine „Verteufelung“ des Autos – und das Ziel ist nicht eine komplett autofreie Stadt. Dies haben die Beteiligten bei der Schlüsselübergabe zum Auftakt der Gmünder Mobilitätswochen klargestellt. Es geht vielmehr darum, das eigene Mobilitätsverhalten einmal in den Fokus zu rücken und dabei zu prüfen, wann man wirklich ein Auto braucht und bei welchen Gelegenheiten Omnibus und Bahn oder das Fahrrad einen genauso gut dorthin bringen, wo man hin möchte. Viele Mitglieder des Gmünder Gemeinderats waren es nicht gerade, die sich an der Aktion beteiligten. Neben dem Ersten Bürgermeister Christian Baron drückten Sebastian Fritz, Christa Kircher-Beisswenger, Sabine Braun, Hannes Barth und Prof. Dr. Andreas Benk dem Sprecher des Gmünder Arbeitskreises Mobilität, Andrzej Sielicki, ihre Autoschlüssel demonstrativ in die Hand, um sie erst eine Woche später wieder abzuholen.
Natürlich war damit auch die Selbstverplichtung verbunden, nicht heimlich still und leise den Ersatzschlüssel zu verwenden oder sich von Familienmitgliedern chaufieren zu lassen. Die Rems-Zeitung wollten von jenen, die sich an der Aktion beteiligt hatten, natürlich wissen, wie die Erfahrungen waren – zum Beispiel bei Christian Baron, der durch seinen Beruf ja viele Termine
hat und dabei in der Regel nicht in sportlicher Fahrradkleidung, sondern im feinen Zwirn sowie mit
Krawatte und polierten Lederschuhen auftritt. „Zufällig musste ich während dieser Woche drei Tage auf eine Dienstreise nach Italien, da war ich dann ganz automatisch nicht mit dem eigenen Auto unterwegs“, räumt Baron ein. Für die anderen Tage hatte er sich mit Hilfe seines Terminkalenders und der Fahrpläne für die Busse bereits vorbereitet, um überall pünktlich vor Ort zu sein. Für einen Termin in Heubach beispielsweise konnte der Gmünder Bürgermeister quasi vor seinem Büro ein- und am Ziel direkt an der Stadthalle aussteigen. Aufgrund der guten Taktung auf dieser Linie habe es keine Wartezeiten gegeben. Für einen Termin in Zimmern hingegen habe er eine VHS-Veranstaltung früher verlassen müssen, um den Bus zu erwischen. Heimwärts sei er Beifahrer bei einem anderen Teilnehmer des Treffens gewesen. Am Ende der Woche gibt Christian Baron freimütig zu, dass es in seinem Job nicht funktionieren würde, wirklich alles und auf Dauer ohne Auto zu schaffen. „Dafür sind meine Termine zu dicht aufeinander. Und die dezentrale Organisation von Gmünd mit den vielen Stadtteilen ist dabei eine besondere Herausforderung!“
Überhaupt keine Probleme mit der autofreien Woche hatte Prof. Dr. Andreas Benk.
„Da ich grundsätzlich gerne Fahrrad fahre, hat das meistens Spaß gemacht“. Er wohnt in Herlikofen, unterrichtet an der PH in Bettringen und hatte seine dienstlichen Termin während dieser Woche nur in der Stadt. Die Erreichbarkeit mit dem Rad sei für ihn daher überhaupt kein Problem
gewesen. Einzig das Wetter. „Wenn es regnete und ich geplegt ankommen wollte, zum Beispiel bei Prüfungen, war das eine Herausforderung“, sagte Benk, der hinzufügte, dass es wie sonst auch in dieser Woche einige gefährliche Situationen gab, als er mit dem Fahrrad unterwegs war.
Christa Kircher-Beisswenger – die Stadträtin wohnt in Großdeinbach – berichtete von ihren Mobilätserfahrungen mit dem Rad und auf der Schiene – wobei sie der Bahn aufgrund von Unpünktlichkeit und sogar ganz ausgefallenen Zügen kein sonderlich gutes Zeugnis ausstellte. Vor
allem wenn man bei der Bahnreise Fahrräder mitnehmen will, könne es mitunter schwierig sein. So müsse man als Reisender im ICE und IC die Plätze für die Mitnahme der Räder vorab reservieren. Zudem gebe es davon nur recht wenig. „Und wer einen bekommt, muss sein Rad senkrecht
aufstellen und oben einhängen. Das schafft nicht jeder Mensch ganz alleine.“ Unterwegs – die Reise führte in den Norden Deutschlands – habe man sich auf den Bahnhöfen gefreut, wenn die Aufzüge auch tatsächlich funktionierten. Im Regionalzug zwischen Stuttgart und Gmünd sei die Mitnahme von Fahrrädern hingegen unkompliziert. Mit dem Bus in Gmünd unterwegs sein klappt laut Erfahrungen der Stadträtin recht gut und die Busse seien pünktlich gewesen. Mangelhaft sei hingegen die Verkehrssituation für Radfahrer zwischen der Innenstadt und dem Stadtteil Großdeinbach. Einen direkten Fahrradweg gebe es nicht und der Taubental-Weg sei ohne
Elektroantrieb nur für sehr sportliche Radler zu bewältigen. Auf der Deinbacher Ortsdurchfahrt habe man als Radfahrer mit den bekannten Problemen zu kämpfen, die die Sicherheit stark beeinträchtigen.
Stadträtin Sabine Braun war während ihrer autofreien Woche sowohl privat als auch dienstlich zu Fuß, mit dem Rad und mit der Bahn unterwegs. Einmal privat und einmal dienstlich habe sie die Angebote des CarSharing genutzt. Aufgrund eines zentralen Wohnorts sei sie und die anderen Familienmitglieder generell sehr viel zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, so dass die Abgabe
des Autoschlüssels in der Praxis eigentlich keinen Unterschied machte. Sehr positiv sei die Erfahrung gewesen, dass der Zeitverlust, wenn man statt des Autos das Rad nimmt, gar nicht so gravierend sei, wie man zunächst annimmt. Für einen Fahrt, die mit dem Auto normalerweise ungefähr 15 Minuten dauert, hatte sie mit dem Rad sicherheitshalber eine halbe Stunde einkalkuliert, um aus jeden Fall pünktlich bei einem Termin zu sein. Sie sei sehr überrascht gewesen, dass sie mit dem Rad dann de facto nur 20 Minuten gebraucht habe. „Das bleibt mir positiv in Erinnerung“. Auf einen Veranstaltungsbesuch am Abend habe sie hingegen verzichtet, weil ihr der Aufwand für die Nutzung eines Car-Sharing-Angebots zu groß schien. Bei anderer Gelegenheit benutzte die Stadträtin dann aber doch noch ihren Car-Sharing-Account – übrigens zum ersten Mal vier Jahre nach der Registrierung. „Wenn das eigene Auto sowieso vor der Tür
steht, kommt Car-Sharing einfach kaum in Frage“.
Für Stadtrat Sebastian Fritz war es nach eigenen Worten „keine große Umstellung“, dass der Autoschlüssel eine Woche lang vom AK Mobilität verwahrt wurde. Er wohnt in Wetzgau und
ist Lehrer in Hussenhofen. Hinzu kommen seine Termine als Mitglied des Gemeinderats –
also ein Aktionsradius im Alltag, der mit dem Rad sehr gut zu bewältigen ist.
Und Sebastian Fritz macht das auch unabhängig von der Aktion bei den Mobilitätswochen schon seit Jahren so. Auch aus echter Überzeugung. „Bei jeder Strecke, die es zurückzulegen gilt, stellten wir uns in der Familie immer die Frage, ob wir zu Fuß gehen oder das Rad beziehungsweise den
Bus nehmen.“ Das sei inzwischen so zur Normalität geworden, dass man nicht von einer Belastung durch den Verzicht aufs Auto sprechen könne. Zumal der Bus zwischen Wetzgau und der Innenstadt eine schon recht ordentliche Taktung habe und für diese Strecke nur zehn Minuten brauche. Beim Busfahren schätzt er auch die Kommunikation. „Man kommt mit anderen Leuten ins Gespräch, das wäre im Auto nicht der Fall“.
Soweit wie möglich aufs Auto verzichten – das praktiziert der Erste Bürgermeister Christian Baron übrigens ebenfalls auch ohne besondere Aktion. „Den Dienstwagen, der mir eigentlich zusteht, habe ich schon bald nach meinem Amtsantritt abgeschafft und mir als Dienstfahrzeug einen E-Scooter beschafft.“ Für Baron ist das die perfekte Lösung für Termine in der Innenstadt. Sofern es nicht gerade wie aus Eimern regnet.
Copyright Rems Zeitung, 29.09.2023