Kundgebung auf dem Gmünder Johannisplatz: Einstehen für die Demokratie

Etwa 1000 Menschen folgen dem Aufruf des Bündnisses gegen Rassismus. Nicht nur Kritik an Merz‘ Vorstoß zur Migrationspolitik mit Unterstützung der AfD. Auch Gmünds OB bekommt eine Ansage.
Schwäbisch Gmünd. „So weit ist es schonmal gewesen“, sangen Fritz & Fritz und setzten die Richtung der Ansprachen bei der Kundgebung „Aufstehen für Demokratie“ des Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus am Samstag (1. Februar) auf dem Johannisplatz. Von bis zu 1500 Teilnehmenden sprachen die Veranstalter, von etwa 900 die Polizei. Vorausgegangen war ein Rundgang zu Orten nationalsozialistischer Verfolgung.
Die Rednerinnen und Redner reagierten auf Friedrich Merz‘ Antrag zur Verschärfung des Asylrechts, die der CDU-Kanzlerkandidat durchbringen wollte, selbst wenn er dafür die Stimmen der AfD braucht. „Das Problem beginnt nicht bei der Abstimmung eines Antrags im Bundestag durch die AfD, das Problem beginnt dort, wo ein menschenverachtender Antrag gedacht, geschrieben und eingereicht wird“, sagte Philip Beyn vom Bündnis. „Rassismus ist eine Strategie der Rechten, um von den drängenden Fragen abzulenken“, aber „für die sie keine Lösung haben“, meinte Björn Weber, ebenfalls vom Bündnis. Etwa horrende Mieten, bröckelnde Infrastruktur, Umgestaltung der Industrie und Klimakrise würden nicht angemessen diskutiert, stattdessen würden alle Probleme „auf das Thema der Migration projiziert, um im Gespräch zu bleiben“.
Ansage an den Oberbürgermeister, sich „der widerlichen Stimmungsmache“ entgegenzustemmen
Andreas Benk stand für den Arbeitskreis Asyl auf der Bühne, für alle nach Gmünd Geflüchteten und „für alle, die in Angst und Schrecken versetzt sind, wenn gemeinsame Sache gemacht wird mit einer Partei, die Remigration fordert“ und Migration zum zentralen Wahlkampfthema gemacht habe. Auch CDU, CSU, FDP und BSW kopierten Forderungen der AfD, obwohl sie wüssten, dass sie nicht geeignet seien, „um derart fürchterliche Gewalttaten von psychisch kranken Tätern zu verhindern“, verwies er auf die Taten auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt und gegen Kindergartenkinder in Aschaffenburg. Dem faktisch geforderten Einreiseverbot für Fliehende „sekundiert unser Oberbürgermeister – im Ton gemäßigter, aber nicht in der Sache“ adressierte Benk Kritik an Richard Arnold, der sage, „die Belastungsgrenze sei erreicht und zusätzliche Zuwanderung zu stoppen“. Die Akzeptanz der Bevölkerung schwinde? „Dann stemmen Sie sich der widerlichen Stimmungsmache, nicht nur der AfD, sondern auch Ihrer Partei, entgegen, Herr Oberbürgermeister.“
DGB-Sprecherin: ein gefährlicher Wendepunkt erreicht
DGB-Kreisvorsitzende Heike Madan mahnte angesichts des Geschehens im Bundestag: „So schnell kann es gehen.“ Die CDU nutze die Geschehnisse von Aschaffenburg „für einen billigen Wahlkampf“. Deren Entscheidung, mit der AfD einen Antrag zur Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik durchzusetzen, stelle „einen gefährlichen Wendepunkt“ dar. „Wir dürfen nicht zulassen, dass kurzfristige politische Vorteile über die langfristige Integrität unserer Demokratie gestellt werden.“
Ein Studierendenvertreter der Pädagogischen Hochschule sah besonders die Sorge angehender Lehrkräfte darüber, „wie rechtsextreme Ideologien zunehmend unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem bedrohen“. So wolle die AfD die allgemeine Schulpflicht abschaffen und damit Kindern die Möglichkeit nehmen, in einem demokratischen Umfeld zu lernen und sich zu mündigen Bürgern zu entwickeln.
Die Ideologie kennen, der man seine Stimme gibt
Bernd Sattler von der Stiftung Haus Lindenhof ging auf Vorstellungen der AfD zum Umgang mit Menschen mit Behinderung ein. Er nannte verschiedene Beispiele von parlamentarischen Anfragen der AfD, etwa nach den volkswirtschaftlichen Verlusten durch die Erwerbsminderung von psychisch Kranken. Sein Fazit: Jeder sollte die Ideologie kennen, der er mit der AfD seine Stimme gibt.
Die Vertreterinnen der Fraueninitiative erinnerten an den Aufschrei, der vor einem Jahr durchs Land gegangen sei angesichts der Remigrationspläne von AfD, Werteunion und anderen. „Heute stehen wir wieder hier“ und „die Grenze des Sagbaren ist längst verschoben“.
Ann-Katrin Lauer, die die Kundgebung moderiert hatte, lobte „die stabile Basis“ in Gmünd, „die sich einmischt“. Ebenso lobte sie PH-Studierende „für die mutige Störung“ einer Podiumsdiskussion an der Hochschule mit den Gmünder Bundestagskandidaten. Und forderte die demokratischen Partien auf, eine Podiumsdiskussion am Sonntag in Waldstetten zu boykottieren, zu dem auch der AfD-Bundestagskandidat eingeladen ist.
Ganze Familien und Flüchtlingshelfer demonstrieren mit
Irmgard Thomas lobte Anja und Nellie Schubert für deren bunte Plakate. „Herz statt Hetze“ und „Wir sind viel mehr“ stand darauf geschrieben. „Nicht immer nur Hass, Hass, Hass“, sagte die Gmünderin, „das sind doch keine Argumente“. Sie betonte: „Ich unterrichte Deutsch für Flüchtlinge und kenne so viele Menschen, die sich aktiv integrieren wollen und sich viel Mühe geben.“
Anja und Nellie Schubert aus Mutlangen erklärten: „Wir wollen zeigen, dass es nicht nur die gibt, die gegen alles sind.“ In Deutschland existiere so viel Gutes: „Wir sollten uns nicht nur auf das konzentrieren, was schlecht läuft“, finden sie.
Leyla und Ahmet Bay standen in der Menschenmenge weit vorne an der Bühne auf dem Johannisplatz. „Uns ist es wichtig, heute hier zu sein“, sagten die Gmünder. Leyla Bay betonte: „Geschichte darf sich nicht wiederholen.“ Bei der Demonstration dabei zu sein, bedeute für sie, etwas für die Demokratie tun zu können.
Mareike und Timliefen mit ihrer sechsjährigen Tochter und deren Großmüttern Renate und Gabriele schon beim Rundgang vor der Demonstration mit: „Um unserer Tochter zu zeigen, dass man dagegen angehen muss, was da momentan passiert“, sagte Mareike. „Und dass wir auch eine Stimme haben.“
Copyright Gmünder Tagespost, 03.02.2025