Lebhafte Debatte um die Besetzung
Gemeinderat: Ja zum Transformationsrat für Wirtschaft und Arbeit / Zuvor gegenseitige Vorwürfe und Empörung über Bürgerliste
Nach ausführlichen und einmütigen Vorberatungen in den Ausschüssen wäre eigentlich eine „klare Sache“ zu vermuten gewesen. Überraschend debattierte der Gmünder Gemeinderat gestern dennoch nochmals sehr lebhaft über die Einrichtung eines
Transformationsrates in Verbindung mit einer „Offensive für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze“.
SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Wie bereits letzte Woche aus den Ausschusssitzungen
des Gemeinderats ausführlich dargestellt, soll das neue Gremium ein kommunales Werkzeug sein, um sich auf den Strukturwandel in der Wirtschaft vorzubereiten und diesen zu begleiten. Die größte Fürsorge dabei soll der Stabilisierung des Arbeitsmarkts gelten. Wie ein Damoklesschwert schwebt über diesen Bemühungen der von Bosch angekündigte Stellenabbau und die Auswirkungen der Coronakrise. Der Transformationsrat, dem gestern Abend grundsätzlich zugestimmt wurde, soll mit Vertretern aus dem Gemeinderat, aus Industrie, Dienstleistung und Handel und aus der Agentur für Arbeit besetzt sein. Erweitert wurde die Besetzung gestern vor allem mittels
eines Antrags der SPD durch einen Vertreter der Ökologie. OB Richard Arnold erntete auch Zustimmung für seinen Vorstoß, auch jeweils einen Repräsentanten der Bosch-Geschäftsleitung und der IG Metall einzuladen. Dies auch im Sinne der SPD-Initiative
Auffallend partei- und interessenspolitisch geprägt war die sich gestern überraschend entwickelnde Debatte, nachdem in den Ausschüssen letzte Woche von den Bürgervertretern doch eher ein Bild der Einigkeit signalisiert wurde. Gestritten wurde zunächst über Zahl der Vertreter aus den jeweiligen Fraktionen; die SPD wollte jeweils nur einen. Stadtrat Christian Baron (CDU) bezeichnete dies als „unfair“gegenüber der größten Fraktion und der Wähler. Im Transformationsrat müsse sich das Spektrum des Gemeinderats, der ja auch das Plenum des neuen Gremium darstelle, entsprechend widerspiegeln. „Wir müssen aufpassen, dass das kein Allgemein- oder Ökologierat wird.“ Auch warnte Baron davor, alles auf das Thema Bosch zu fokussieren. Ebenso wie die IG
Metall müssten konsequenterweise auch anderen Gewerkschaften Mitwirkungsrecht im Transformationsrat eingeräumt werden.
Barons Worte fanden Gegenrede von Stadtrat Prof. Dr. Andreas Benk (Die Linke). „Wir brauchen unabhängiges Fachwissen.“ Seine Fraktion unterstütze den SPD-Antrag. Zu befürchten sei sonst „CDU-Lastigkeit“ im Transformationsrat. Dass die Christdemokraten immerzu auf Proporz bei der Verteilung von Ämtern bestehen würden, das nerve. „Bitte
stellen Sie die Sache in den Vordergrund!“ appellierte Benk an die CDU.
Keinen Anlass für Misstrauen gegenüber der ursprünglich von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen Besetzung zeigte Stadträtin Karin Rauscher (FWF).
Die Wogen bei SPD und Linke schlugen nach der Stellungnahme der Bürgerliste
hoch. Deren Fraktionsvorsitzender Ullrich Dombrowski sprach von einer „Industriebrache“ auf die sich Schwäbisch Gmünd in naher Zukunft einstellen müsse. So sei es naheliegend, dass neben der IG Metall auch ein Vertreter der Bosch Geschäftsleitung im Transformationsrat dabei sei. Dombrowski bemängelte, dass das neue Gremium kein Budgetrecht besitze.
Stadtrat Relea-Linder (Die Linke) bezeichnete die BL-Stellungnahme, wonach es sich bei Bosch alsbald um eine „Industriebrache“ handle, eine Verhöhnung der dort Beschäftigten. „Nehmen Sie diese Aussage sofort zurück!“ Der BL-Chef entgegnete. „Sie haben kein Ohr für kritische Anmerkungen.“ Dombrowski stellte dar, dass bei Bosch einstmals 7500
Menschen beschäftigt gewesen seien und das Unternehmen nun auf 2500 Arbeitsplätze schrumpfen solle. Man müsse davon ausgehen, dass „Hallen freiwerden“.
Stadtrat Alessandro Lieb (SPD) trat gleichfalls sichtlich verärgert ans Mikrofon und rief Dombrowski zu: „Ich bin maßlos enttäuscht von Ihren Äußerungen.
Gottseidank werden die Bosch-Beschäftigten, die gerade um ihre Arbeitsplätze
fürchten, nicht von Ihnen vertreten.“ OB Arnold versuchte ruhigere Töne in die plötzlich so aufgeheizte Debatte zu bringen und betonte: Er sehe keinesfalls eine Industriebrache bei Bosch, sondern nach wie vor ein enormes Potenzial für den Standort Schwäbisch Gmünd.
Copyright Rems Zeitung, 14.05.2020