Politik ist keine beschwipste Silvesterparty
Bernd Müller über Lärm, einen Plan und fehlende Konsequenzen
Weltklimakonferenzen sind ein schlechtes Vorbild. Durch ihren politischen Lerneffekt: Es sieht gut aus, wenn man schöne Ziele und Pläne verkündet, es lässt sich prächtig als Erfolg verkaufen. Hinterher, wenn nicht mehr genau hingeschaut wird, muss man sich ja nicht dran halten. Und kann zurück zum Alltagsgeschäft. Mit dem Lärmaktionsplan scheint es ganz ähnlich zu sein: Das Land schreibt ihn vor, Gmünd hat seinen vor einem Jahr verabschiedet. Darin steht, dass 13 500 Bürger von Lärm im kritischen Bereich betroffen sind. Vor ihren Schlafzimmerfenstern, an ihren Balkonen hat sich seitdem nichts geändert. Warme Worte vom Land: reichlich. Verwaltungsdeutsch im 20-Seiten-Plan: auch. Konkrete Maßnahmen: so gut wie keine.
Es ist legitim, wenn Bürger Pläne und Planer beim Wort nehmen. Das gilt auch für diejenigen Anwohner der Ortsdurchfahrt in Herlikofen, die dort Tempo 30 fordern. Tempo 30 hat nicht nur Befürworter. Ein Blick in den Maßnahmen-Katalog des Aktionsplans zeigt, dass es viele Ansatzpunkte gibt, zum Teil effizientere. Flüsterasphalt bringt, in Dezibel gerechnet, etwa doppelt so viel an Lärmminderung, aber er kostet viele Millionen. Der unschlagbare Vorteil von Tempo 30 liegt in der Kosten-Nutzen-Abwägung.
Nicht alle Kritiker, alle Initiativen haben automatisch recht. Demokratie ist beides: Man darf seine Stimme erheben – und muss andere Meinungen akzeptieren. Aber: Die Diskussion muss stattfinden, auch um den Lärm, damit der Plan nicht nur einer fürs Aktenarchiv ist. Politik darf keine beschwipste Silvesterparty sein, bei der man die guten Vorsätze tags drauf längst vergessen hat.
Copyright Gmünder Tagespost, 10.06.2023