Leinzell als Vorbild – Tempo 30 in Herlikofen?
„Der Lärm belastet mich schwer“, sagt eine Anwohnerin der Ortsdurchfahrt Herlikofen. Sie will sich gemeinsam mit anderen Betroffenen für eine Temporeduzierung auf 30 km/h einsetzen.
Im Gmünder Lärmaktionsplan stehen drei vorgeschlagene Maßnahmen:
Lärmschutzfenster: bis zu 20 Dezibel Minderung. Kosten müssen Hausbesitzer selbst tragen, es sind höchstens Zuschüsse denkbar.
Erneuerung von Straßenbelägen: bei „Flüsterasphalt“ bis zu 5 Dezibel Minderung. Nachteil: sehr teuer.
Ausweisen von Tempo-30-Zonen: Minderung etwa 2,5 Dezibel. Kostengünstigste Maßnahme.
Schwäbisch Gmünd-Herlikofen. Sarah Kutscher, Hannes Nitschke und Claudia Schöggl haben eines gemeinsam: Sie wohnen in an der Ortsdurchfahrt in Herlikofen, und sie wollen, dass dort nur noch Tempo 30 erlaubt ist. Dass es Anwohnern nun in Leinzell gelungen ist, aus dieser Idee Realität werden zu lassen, gibt ihnen Auftrieb: „Dort hat man gesehen, dass es machbar ist. Wir wollen so weit kommen wie Leinzell“, sagt Claudia Schöggl. Das Hauptargument von ihr und ihren Mitstreitern pro Tempo 30 ist das, was der Änderung in Leinzell zugrunde liegt: eine zu hohe Belastung durch Verkehrslärm.
„Wenn wir mit Besuch auf die Terrasse sitzen, dann fragen die oft: Wie hält man das aus?“, erzählt Hannes Nitschke. Mal das Fenster aufmachen, das sei eigentlich nicht drin, sagt Sarah Kutscher. „Wir haben zum Glück Schallschutzfenster, aber man kann im Sommer nicht einfach durchlüften. Nur von Mitternacht bis 4 Uhr hat man ein paar Stunden Ruhe.“ Claudia Schöggl findet die Situation „unterträglich“. Ihr Balkon etwa habe seinen Erholungswert „weitestgehend verloren“. „Der Lärm belastet mich schwer“, sagt Schöggl. Sie habe die Wohnung, in der sie jetzt wohnt, 2020 besichtigt – in ruhigeren Corona-Zeiten: „Damals ist mir nicht aufgefallen, dass es so laut ist.“
Laut Plan ein „Lärmschwerpunkt“
Von den vorliegenden Zahlen fühlt sich Schöggl bestätigt: Echte Lärm-Messungen gibt es keine, aber ein errechneter Wert komme auf 68,8 dB, das sei ihr von der Stadtverwaltung so genannt worden. Stadtrat Andreas Benk (solidarisch.ökologisch.links), der Schöggl mit seinem kommunalpolitischen Wissen beraten hat, sagt zur Einordnung: „Lärm über 65 dB gilt nach den Richtlinien des Landes als potenziell gesundheitsgefährdend.“ Darum schlage der Lärmaktionsplan der Stadt Gmünd für alle Straßen, die mit mehr als 65 Dezibel belastet sind, konkrete Maßnahmen vor, so Benk. Laut dem Plan sind 13500 Einwohner von Gmünd davon betroffen – auch die Ortsdurchfahrt Herlikofen wird als „Lärmschwerpunkt“ eingestuft.
Claudia Schöggl fühlt sich von der Stadt, an die sie sich gewandt habe, wenig unterstützt. „Ich habe der Stadt angeboten, dass sie messen können bei mir, aber ich habe keine Antwort bekommen.“ Ermutigend findet sie die Entwicklung in Leinzell: Dort hat das Regierungspräsidium im März Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt und in der Mulfinger Straße genehmigt. Tempo 30 kann eine Gemeinde nicht einfach so anordnen, es braucht eine Begründung – in diesem Fall die Belastung durch Verkehrslärm. Die Gemeinde hatte eine eigene Lärmuntersuchung in Auftrag gegeben, 2019 war dem Gemeinderat eine Zahl von 13 260 durchfahrenden Fahrzeuge genannt worden. Aktuelle Zählungen für Herlikofen liegen keine vor, 10000 Fahrzeuge pro Tag dürften es auf jeden Fall sein.
Ziel ist eine Bürgerinitiative
Zu viele auf jeden Fall, findet Claudia Schöggl. Sie will weitermachen, hat Unterschriften gesammelt und sie hoffe, eine genügend große Gruppe für eine Bürgerinitiative um sich scharen zu können. Frage an Stadtsprecher Markus Herrmann, wie die Stadt solchen Initiativen gegenüber steht: „Wir greifen die Themen auf, die dann der Ortschaftsrat diskutiert“, sagt Herrmann. Der Ortschaftsrat sei „immer erste Instanz“, dort werde zunächst die politische Diskussion geführt. Dieser wolle er nicht vorgreifen.
Und was bringt der Lärmaktionsplan, den der Gemeinderat Anfang 2022 beschlossen hat, für Herlikofen? Bisher nichts: „Dass Gmünd diesen Plan hat, das bedeutet noch keine einzige Einzelmaßnahme“, sagt Stadtrat Benk. „Es ist ein Plan ohne Konsequenz – das ist sehr frustrierend.“
Zum Lärmaktionsplan versichert Markus Herrmann, dass dieser durchaus bearbeitet werde: „Der Plan ist eine Planungsgrundlage. Daraus leitet sich nie ab – das ist nicht nur in Gmünd so -, dass konkret dies oder das gemacht werden muss. Es gibt keinen Automatismus.“ Aber: „Das heißt nicht, dass der Lärmaktionsplan rumliegt und es kümmert sich niemand drum.“ Doch es könne schließlich unterschiedliche Möglichkeiten geben (siehe Info). Und eben dies werde verwaltungsrechtlich geprüft.
Mehrheitlich abgelehnt
Der Ortschaftsrat habe sich 2021 schon einmal positioniert, so erinnert sich Andreas Benk: In einer Stellungnahme, als die Option Tempo 30 für die Ortsdurchfahrt diskutiert wurde, habe der Rat dies mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Herlikofens Ortsvorsteher Thomas Maihöfer betont, dass die Verkehrssituation durch den Ort sehr genau beobachtet worden sei in den letzten Jahren. „Es hat mehrere Verkehrsschauen gegeben.“ Die Ortsdurchfahrt sei in keiner Weise ein Unfallschwerpunkt, zudem gebe es drei Ampeln für Fußgänger. Und: „In der Ortsmitte fahren bestimmt 85 Prozent der Leute keine 50, sondern 40. Schneller geht da gar nicht.“
Link: Auf der Homepage der „Landesanstalt für Umwelt“ gibt es Lärmkarten für jeden Ort in Baden-Württemberg: www.lubw.baden-wuerttemberg.de
Copyright Gmünder Tagespost, 08.06.2023