So viel mehr kosten Strom und Gas nun
Stadtwerke-Chef Peter Ernst legt Beispielzahlen vor. Stadträte sehen Existenzangst bei vielen Bürgern.
Schwäbisch Gmünd. Der Besitzer eines durchschnittlichen, nicht gedämmten, Einfamilienhauses mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlte bisher für diesen Strom einen monatlichen Abschlag von 134 Euro. Angesichts der enorm gestiegenen Beschaffungspreise wären es nun 299 Euro, mit der Preisbremse wird diese Monatsrate noch 179 Euro kosten. Noch dramatischer sieht es beim Gasverbrauch von 20 000 Kilowattstunden aus: Der monatliche Abschlag steigt von 180 selbst mit Preisbremse um gut 78 Prozent auf 321 Euro.
Mit diesen Zahlen schockte Stadtwerke-Chef Peter Ernst am Mittwoch die Mitglieder des Verwaltungs- und des Sozialausschusses. Er schilderte, dass die Mitarbeiter der Stadtwerke seit Monaten an der Belastungsgrenze arbeiten, um die staatlichen Preisbremsen in die nun zu verschickenden Abrechnungen einzubringen. Nicht auszuschließen sei, dass das Kundencenter der Stadtwerke zeitweise geschlossen werden müsse, um die Abrechnungen hinzukriegen. Und auch dann seien sie nicht vollständig: Mit einer ersten Post bekomme der Kunde nur die Abrechnung fürs Vorjahr samt einem Beileger, der über den neuen Abschlag informiere. Mit einem zweiten Brief komme dann die formale Abschlagsmitteilung und die Information über die gedeckelten Preise und die Preise, wie sie ohne Deckelung wären. Zudem gebe es verschiedene Aspekte, die die Preise weiter treiben werden. Die Stadtwerke rechnen mit einer immensen Zahl von Anfragen.
Das sahen auch die Stadträte so. Viele Bürger hätten nicht mit solchen Steigerungen gerechnet, sagte Cynthia Schneider (Linke). Hinzu komme die Teuerung in anderen Bereichen. Das werde vielen Leuten den Boden unter den Füßen wegziehen. Grüne-Stadträtin Christa Kircher-Beißwenger meinte, Energiesparen sei in dieser Lage die einzige Gegenmaßnahme.
Dass die Bundesregierung und das Europaparlament gerade in dieser Phase auch noch eine umfassende energetische Sanierung älterer Häuser vorschreiben wollen, sah Karin Rauscher (FWF) als „Enteignung durch die Hintertür“. Peter Ernst konnte dazu berichten, dass ihn die Kernsanierung seines Reihenhauses rund 250 000 Euro gekostet habe. Neue Immobilien seien für Normalverdiener gar nicht mehr erschwinglich. Auf Nachfrage von BL-Stadträtin Brigitte Abele erläuterte Ernst, dass die Stadtwerke nun selbst erproben, ob eine Wärmepumpe in einem nicht sanierten Haus funktioniert. Die Aussagen der Experten dazu sind unterschiedlich. Darüber hinaus, so Ernst, denken die Stadtwerke über kleine Nahwärmenetze nach. Denn rund ein Viertel der Häuser in Gmünd hätten alte Gas- oder Ölheizungen. Ganze Stadtteile wie Rechberg, Weiler oder Degenfeld seien gar nicht ans Gasnetz angeschlossen.
Sigrid Heusel (SPD) sagte, für viele Hausbesitzer sei eine solche Energiewende nicht bezahlbar. Gerade bei älteren Bürgern gebe es große Ängste bei diesem Thema, so Helmut Geiger (CDU). Sein Fraktionskollege David Sopp meinte, die Pläne der Bundesregierung gefährdeten Existenzen.
Doch die Probleme, die auf Bundes- und Europaebene formuliert werden, können auf lokaler Ebene nicht gelöst werden, meinte OB Richard Arnold. Die Energiekosten müssten runter, sonst drohe auch die Abwanderung von Firmen und damit der Verlust des Wohlstands in der Region. Sozial-Bürgermeister Christian Baron und Sozialamtsleiter Hans-Peter Reuter wiesen auf den in Gmünd existierenden Notfallhilfefonds hin. Mit dem könne zumindest Menschen geholfen werden, die keine staatlichen Hilfen erhalten und dennoch in finanzielle Zwangslagen kommen.
Copyright Gmünder Tagespost, 16.03.2023